Agilität in handwerklichen Betrieben

woman in gray tank top and purple pants standing beside window during daytime

Meinen ersten Kontakt mit Agilität und Lean hatte ich vor etwas mehr als 10 Jahren als System Engineer. Mein Team sollte auf eine Arbeitsweise mit Kanban umstellen. Persönlich hatte ich damals nicht genau verstanden, warum das meine Arbeitswelt besser machen sollte. Aber die schöne neue Magnettafel und die vielen farbigen Post-its waren eine angenehme Alternative zur grauen Sichtbetonwand.

Nachdem wir ein paar Wochen mit Kanban gearbeitet hatten, besuchten wir ein anderes Unternehmen, welches bereits seit ein paar Jahren mit Kanban arbeitete. Zu meiner Überraschung war es kein Softwarebetrieb. Die Wilhelm Schmidlin AG produziert unter anderem Dusch- & Badewannen aus Stahl im Herzen der Schweiz.

Während der Führung durchs Unternehmen habe ich viel über Fluss (Flow) und Pull gelernt. Es war spannend, wie sich das Unternehmen aufgestellt hat, damit sie im Hochpreisland Schweiz möglichst kostengünstig produzieren können.

Gemeinsam Verantwortung übernehmen und als Organisation lernen

Das, was mich aber am meisten fasziniert hat, war die Energie, die von den Leuten ausging. Der Umgang untereinander war irgendwie anders. Vielleicht lag es daran, dass sie jeden zweiten Freitag einen ganzen Tag aufwenden, um ihr Unternehmen zu verbessern. Oder, dass es normal war, dass zwischendurch auch der Lagerist oder Polymech für ein paar Wochen im Büro arbeitete – und umgekehrt.

Die Mitarbeitenden konnten an den Innovationstagen selbst entscheiden, was sie verbessern wollen und taten dies in gemischten Gruppen aus handwerklichen und kaufmännischen Mitarbeitenden. Welche Innovationen in den nächsten Tagen ausprobiert und getestet werden, haben ebenfalls die Mitarbeitenden gemeinschaftlich entschieden.

Wozu braucht es da noch einen Chef? Die Antwort kam vom Chef selbst. Er sei verantwortlich dafür, dass die Mitarbeitenden ihre Aufgabe wahrnehmen können. Gibt es Probleme, die das Team nicht selbst lösen kann, dann sei es seine Aufgabe, diese zu lösen. Und zwar so schnell wie möglich.

Rückblickend war – glaube ich – dies der Moment, wo ich mich entschieden habe, dass ich nur noch agil arbeiten möchte.

Kein Einzelfall

Dass die Wilhelm Schmidlin AG kein Einzelfall ist, zeigt auch ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung von Anfang Juli. Jakob Schröder erzählt im Artikel von seinem anfänglichen Unbehagen, das Unternehmen alleine zu übernehmen und seinen jetzigen Kollegen plötzlich als Chef Anweisungen zu erteilen. Darum beschloss er, einen Kollektivbetrieb zu gründen und führt nun das Unternehmen zusammen mit zwei seiner ehemaligen Kollegen. Natürlich musste er dafür einige seiner hart erarbeiteten Privilegien abgeben, doch für ihn überwiegen die Vorteile, erklärt er seinen Entscheid.

Beim Nürnberger Unternehmen betreut ein Handwerker einen Auftrag von Anfang bis zum Schluss, behält dadurch stets den Überblick und erhält am Ende auch die Anerkennung, die seiner Arbeit gebührt. Die regelmässigen Sitzungen, in denen auch über Befindlichkeiten gesprochen werden, die 30 Stunden Woche und der selbstauferlegte regelmässige soziale Einsatz sind ungewöhnlich für einen Handwerkerbetrieb. Doch die motivierende Wirkung bleibt nicht aus – und davon profitieren auch die Kunden.

Gemäss der Süddeutschen Zeitung haben mitarbeitergeführte Unternehmen eine deutlich höhere Krisenresistenz. Das hat die Corona-Krise im letzten Jahr gezeigt – von den hierarchisch organisierten Unternehmen überlebte weniger als die Hälfte. 

Kleine Schritte bewirken Grosses

Vielleicht fragen Sie sich jetzt, wie Sie mit Ihren Unternehmen, Ihrer Abteilung oder Ihrem Team eine solche vertrauenswürdige Kultur entwickeln können. Leider gibt es darauf keine Standardantwort. Was aber ganz sicher nicht funktioniert, ist von heute auf morgen alles mit „Gewalt“ umzustellen. Es braucht kleine Schritte: Nehmen Sie sich zum Beispiel jeden Morgen 15 Minuten Zeit, um sich gegenseitig zuzuhören, wie die Befindlichkeit ist und ob es Probleme gibt, die man direkt gemeinschaftlich lösen kann. Oder machen Sie anstelle des rapportierenden Teammeetings eine Retrospektive, wo Sie sich über Ihre gemeinsame Arbeitsweise austauschen.

Wir zeigen Ihnen gerne, warum Agilität ein Wettbewerbsvorteil sein kann und wie man mit einer lernenden Organisation und Leadership eine gesunde Organisation entwickeln kann.

About the author:

Did you find this interesting? Share this Article.

LinkedIn
Twitter
Email
Facebook

What we do

How we do it

Who we are

How we do it

Not your language? Switch it!